Im September 1959 meldete ich mich freiwillig für drei Jahre zur Nationalen Volksarmee (NVA) mit dem Hintergedanken: Dann habe ich es hinter mir. Am Anfang lief es auch ganz gut, aber dann wurde ich immer schwächer. Im Sport war ich immer der letzte, ich wog nur noch 61 kg. Der Durst wurde immer stärker, wenn wir raus mussten ins Gelände. Ich hatte am Koppel Feldflaschen und Kochgeschirre voller Wasser. Meine Kumpel bekamen es mit, sagten das sei doch nicht normal und schickten mich zum Arzt. Ergebnis: Diabetes im höchsten Stadium, kurz vor dem Koma – ab ins Lazarett.
Ja, da war ich dann von Mai bis Oktober 1960 im Armeelazarett Bad Saarow. Die Ärzte sagten mir: „kleine Zuckerfabrik“. Dass es mit dem Soldat-Sein vorbei war, nahm ich noch gelassen hin, aber dass ich nun jeden Tag spritzen sollte, das wollte nicht in meinen Kopf. Im Beisein der Schwester musste ich nun üben. Ich bekam bei der Entlassung mein Spritzbesteck mit. Wenn ich das mit den heutigen Spritzen vergleiche: Mein Gott! Die Kanülen waren Stärke 18! Nach Gebrauch mussten sie zusammen mit der Spritze ausgekocht werden. Zu jeder Kanüle gehörte ein dünner Draht, der in die Kanüle reingeschoben wurde, damit sich nichts absetzt. Nach dem Abkochen musste man den Draht wieder rausziehen, aber nicht wegwerfen! Die Spritze selbst war ein Glaskolben mit einem Stempel. Die Insulinmenge musste man selbst aufziehen. Durch das viele Abkochen war der Stempel so porös, dass beim Injizieren über dem Stempel mehr Insulin angegeben war als rausgedrückt wurde. So hatte man z. B. von 20 Einheiten in Wirklichkeit nur 12 oder 14E gespritzt! Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich nahm es mit dem Spritzen nicht so genau! Warum? Mangelnde Kenntnis, Zeitdruck oder waren es die 18er Kanülen?
Jedenfalls machte ich 1962 meine Prüfung und fing als Fahrdienstleister auf einem kleinen Bahnhof an der Magistrale Berlin-Rostock an. Und ich war 22 Jahre im Schichtdienst: Tag und Nacht, Sonn- und Feiertage. Ich hatte noch hohe Werte, es ging nur nach Gefühl, denn in der DDR hatten wir keine Blutzuckermessgeräte. Zu meiner Rettung muss ich sagen, ich stand unter Kontrolle meiner Ärztin, MR Dr. Liochinski, einer wunderbaren Frau! Alle zwei bis drei Jahre bekam ich eine Kur zugesprochen, ich war in Karlsburg (bei Greifswald), Rheinberg, Saalfeld und Bad Berka. Nach der Wende war ich zweimal in Bad Malenke. 1984 kam ich dann endlich in den Tagesdienst im Reichsbahnamt Neustrelitz. Medizinisch gesehen hatte ich nur Komplikationen an den Augen: Es fing an mit den Glaskörpereinblutungen an beiden Augen; Laserbestrahlungen, an beiden Augen eine künstliche Linse, wieder Laser und ab 2004 Grüner Star (Glaukom). Gott sei Dank, habe ich meine sämtlichen Organe im Körper, alles ohne Bedenken, also noch keine Operationen!! 2005 stellte sich dann eine Zöliakie ein. Seitdem muss ich glutenfrei essen. Hinzufügen muss ich noch: seit 1988 bin ich im Besitz eines Schwerbehindertenausweises.
Veröffentlicht: 2014