Bei mir wurde der Diabetes bekannt durch die Masern-Diagnose. Wie in der damaligen Zeit üblich, konnten die meisten mit der Krankheit nichts anfangen. Mir wurde erst einmal alles verboten und ich bekam nur abgewogene Mahlzeiten zu essen. Meist bestand das Essen aus wenig schmackhaften Zutaten oder war ungewürzt, wie beispielsweise Haferschleim oder ohne Salz zubereitete grüne Bohnen. Die Ärzte überwiesen mich regelmäßig ins Krankenhaus und ich hatte schließlich von Januar 1969 bis Mai 1971 einen längeren Aufenthalt in der Diabetikerklinik in Hösel. Dort beendete ich die Schule und ging zurück in meine Heimat (ein kleines Dorf im Sauerland). Dort war ich zwar immer noch ohne ärztliche Versorgung, aber ich war jetzt selbstbewusster und konnte mit meinem Diabetes umgehen. Im Bekanntenkreis und unter meinen Geschwistern war ich weiterhin der „Exote“. Ein paar Jahre später bekam noch ein Kind im Dorf Diabetes, womit es deutlich leichter für mich wurde.
Ich fing schließlich eine Bürolehre an, doch durch die sitzende Tätigkeit hatte ich stets einen erhöhten Blutzucker. So begann ich eine Lehre als Floristin, bei der ich mehr Bewegung hatte und dadurch auch meine Blutzuckerwerte wieder in den Griff bekam. 1978 bekam ich schließlich mein eigenes Blutzuckermessgerät. 1980 machte ich meinen Führerschein und lernte 1983 meinen Mann kennen, den ich 1989 heiratete. Im April 1991 wurde meine Tochter geboren. Glücklicherweise ist sie gesund und hat keinen Diabetes. Mein Mann erkrankte an einem Gehirntumor und hatte deshalb fünf Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung. 1999 verstarb er aufgrund dieser schweren Erkrankung. Dies und die Verantwortung für unsere Tochter lenkte mich von meiner eigenen Erkrankung ab. 1995 bekam ich einen Grauen Star auf beiden Augen und hatte einige Laseroperationen. 2008 folgte eine Schilddrüsenoperation und 2011 ein Bypass im rechten Oberschenkel, aufgrund des Diabetischen Fusssydroms. Schließlich unterzog ich mich im Januar 2015 einer Bandscheiben-Operation.
Ich lebe jetzt wieder ohne Schmerzmittel und arbeite dreimal wöchentlich halbtags als Floristin. Zudem gehe ich seit 2011 ein bis zweimal die Woche zum Reha-Schwimmen.
Veröffentlicht: 2015