Ernst-Uwe Meyer

(56 Jahre Diabetes)
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„Maßhalten!“ – dieses einen Zeitgeist widerspiegelnde Wort, das von unserem ehemaligen Bundeskanzler Prof. Ludwig Erhard, dem „Erfinder“ der Sozialen Marktwirtschaft benutzt wurde, um die Menschen im Nachkriegsdeutschland, die das „Wirtschaftswunder“ geschaffen haben, auch zu ermahnen, dass alles seine Grenzen haben muss, dieses Wort sehe ich – ein heute betrachtet „alter“ Typ 1er – auch für mich als die größte Hilfe an.

Ohne die daraus resultierende Selbstdisziplin, die nicht verwechselt werden darf mit militärischer Disziplin, ohne so manchen Verzicht in kindlichen Tagen, der, da er seitens der Eltern geschickt „verpackt“ wurde, von mir als kleines Kind gar nicht als solcher empfunden wurde, könnte ich heute nach über mehr als sechs Jahrzehnten nicht auf ein doch, insgesamt betrachtet, sehr zufriedenstellendes Leben blicken.

Mein bis dato 64-jähriges Leben begann eigentlich zwei Mal. Mein zweites Leben begann dabei schon sehr früh, nämlich bereits nach Vollendung meines 4. Lebensjahres. In der Uniklinik Mainz wurde im Februar 1957 bei mir ein juveniler Typ-1-Diabetes festgestellt. In den folgenden Jahren wurde mein Diabetes mehrfach in Kliniken in Mainz, Kusel, Kaiserslautern und während meiner Pubertät in der Diabetesklinik von Herrn Dr. Stein in Emdenau bei Bad Wildungen neu eingestellt.

Obwohl es in den 50er, 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ja noch nicht möglich war, selbst den BZ zu bestimmen, konnte ich durch das täglich mehrfache Messen, Kontrollieren und Dokumentieren meines Urinzuckergehalts – zwar immer erst im Nachhinein – in etwa erkennen, was mein Freund, der Diabetes, so im Begriff war, anzustellen. Und ich reagierte dann. Große Hilfe dabei waren in meinen ersten beiden Jahrzehnten die vielen Tipps, die ich von meinem damaligen Hausarzt Dr. Eckert in Lauterecken und später von dem Internist Dr. Stein in Emdenau erhielt. Herr Dr. Stein Arzt hat den größten Anteil daran, dass es mir heute noch recht gut geht. Die vielen Blutzuckerprofile, die er dort für mich erstellte, die vielen Tipps seinerseits über alle möglichen Dinge bezüglich des Sports, der Bewegung als solcher und der Lebensweise insgesamt halfen mir dabei sehr. Die meisten befolgte ich auch.

Nach dem Abitur, einer kaufmännischen Lehre mit anschließendem Diplom begann meine berufliche Laufbahn im Jahr 1973, die mich von Kaiserslautern nach Ludwigshafen, dann nach Koblenz, später nach Mainz, wieder zurück nach Kaiserslautern und bis zu meiner Pensionierung wiederum nach Mainz 2005 zurückführte. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts suchte ich eine Diabetes-Klinik in Bad Neuenahr auf, die mir aber nicht viel Neues brachte. Hier ging es mehr oder weniger darum, mich körperlich und seelisch wieder auf Vordermann zu bringen. In dieser Zeit war meine liebe Frau, die ich leider viel zu früh im vergangenen Jahr durch ihre Krebserkrankung verloren habe, mein wichtigster Ratgeber. Ihr schenkte ich all mein Vertrauen auch bezüglich der Behandlung meines Diabetes. Speziell wenn es darum ging Hypos rechtzeitig zu erkennen, war sie schneller und sicherer als jedes BZ-Messgerät.

In den 80er Jahren suchte ich in verschiedenen Kliniken Hilfe, um meine BZ-Einstellung immer wieder zu optimieren. Nützlich dabei waren Dr. Blackert in Kassel, Dr. Kampmann in Bad Nauheim, Dr. Geerling in Kaiserslautern und ganz speziell der Nephrologe Dr. Rolf Bambauer in Homburg/Saar. Er war es denn auch, der 1995 meine sich anbahnenden Probleme mit dem Herz erkannte und mich zu den Kardiologen Prof. Sen nach Frankfurt und später zu Dr. Özbek nach Völklingen schickte. Zuletzt war ich meines Herzens wegen bei Frau Prof. Genth-Zotz in Mainz, die mir Ende 2014 einen weiteren, etwas kompliziert zu installierenden Stent implantierte. Seither habe ich bezüglich des Herzens nur die Trauer um meine liebe Frau zu verkraften.

Für die routinemäßigen Untersuchungen und für alle in Zusammenhang mit dem Diabetes stehenden Komplikationen und Probleme und natürlich vor allem deren Verhinderung, für alle diese wichtigen Dinge steht mir glücklicherweise einer aus unserer Mitte, der Diabetiker und Diabetologe DDG Herr Dr. Ernst Küstner in Nieder–Olm zur Verfügung, dem ich vollstes Vertrauen entgegenbringe. In jüngster Zeit fühle ich mich bei dem Diabetologen Dr. Jakob in Otterbach gut betreut.

Bereits 1991 gründete ich eine Diabetiker-Selbsthilfegruppe in meiner Heimatstadt Lauterecken, die anfangs nur von sieben Typ-1ern besucht wurde, sich allerdings dann durch viele Typ-2er auffüllte und mittlerweile noch immer alle vier Wochen zwischen 25 und 40 Besucher hat. Am 4.9.2017 findet bereits unser 285. Treffen statt. Die zu besprechenden Themen werden ja nicht weniger. Meines Erachtens ist es kein Kunststück über viele Jahre mit seinem Diabetes alt werden zu können.

Das habe ich jetzt seit mehr als 60 Jahren erfahren dürfen und ich möchte diese Freundschaft auch noch ein paar Jahre pflegen, auch wenn mir das plötzliche Alleinsein nach dem plötzlichen Tod meiner geliebten Frau sehr zu schaffen macht. Unsere beiden wundervollen, lieben Töchter versuchen im Sinne meiner lieben Frau auf mich und meinen Diabetes zu achten, auch wenn es nur via FaceTime täglich mehrfach möglich ist. Mit meinem Motto: „Alles zu seiner Zeit und Maßhalten in allen Dingen“, bei allen Verrichtungen und Unternehmungen, ob im Beruf, beim Sport, in geselliger Runde und auch im Ruhestand, schaffe ich das hoffentlich noch eine ganze Zeit lang.

Veröffentlicht: 2013 + 2017

Teilnehmer-Geschichten

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