Erich Abt

(69 Jahre Diabetes)
Erich-Abt

Im November 1937 wurde ich in Augsburg (damals Textil- und Stahlindustrie-Hauptstadt Deutschlands) geboren. Mein Vater hatte eine Werkwohnung in einer Textilfirma am Rande der Altstadt. Wir hatten als Kinder Wiesen und Bäume, genügend Platz zum Spielen. Leider kamen die Kriegsjahre. Die Erinnerung an diese Zeit ist der Bombenangriff im Februar 1944, in der Nacht wurde ganz Augsburg zerstört. Bei minus 20 Grad flüchteten alle Leute zu Bekannten im Umkreis der Stadt. Nach etwa zwei Wochen wurden die Mütter mit ihren Kindern mit dem Zug bis zu 60 Kilometer weit aufs Land verteilt. Damals hatten auch kleine Dörfer noch eine Schule. Mein erstes Schuljahr fand in einem Klassenzimmer, in dem alle 8 Klassen zur gleichen Zeit Unterricht hatten, statt. 1945 kamen die Amerikaner als Besatzer in diese Gegend.

1946 waren die Wohnungen der Familien wieder freigegeben, wir konnten nach Augsburg zurückziehen. Das Leben in der Stadt, nur mit Essensmarken zu leben, war für die Eltern sehr mühsam.

Im Laufe des Jahres 1947 wurde ich immer dünner, gleichzeitig nahm der Durst bei mir immer mehr zu. Meine Eltern waren sehr beunruhigt. Eine Schwester meiner Mutter war Krankenschwester in der Kinderklinik in Augsburg. Sie sagte, lass ihn auf Zucker untersuchen! Anfang Dezember 1947 stand dann das Resultat fest: Der Bub hat Zucker!

Die wenigen Süßigkeiten die es gab, waren an Weihnachten tabu. Am 21.1.1948 kam ich dann in die Kinderklinik nach Augsburg. Angeblich hatte ich in der Zeit über 900 mg/dl Blutzucker im Blut. Es wurde vom ersten Tag an Insulin gespritzt. Nach der Entlassung war ich nur drei Monate zu Hause, denn ich bekam eine schwere Gelbsucht, die mich wiederum fast vier Wochen Krankenhausaufenthalt gekostet hat.
Meine Mutter wurde eine hervorragende Diätköchin. Die ersten Jahre hat sie mich auch zwei Mal am Tag gespritzt, Nadeln und Spritze jedes Mal ausgekocht. Einmal zerbrach eine Insulinampulle. Der Arzt wollte sie nicht ersetzen. Die Schuljahre vergingen, die Lehrstellen waren 1952 Mangelware. Durch Beziehungen meines Vaters bekam ich eine Lehrstelle als Feinmechaniker. Diesen Beruf übte ich dann 45 Jahre aus.

In den sechziger Jahren traten die Höhen und Tiefen des Diabetikers öfters in Erscheinung. Die Schwankungen bei Freizeit, Arbeit, Ruhepausen musste ich erst in den Griff bekommen. Auch im Geschäft bekam ich mal einen Schock. Die Kollegen wussten aber Bescheid und konnten mir helfen.
Nur einmal kam es zu einem Koma. Es geschah nach einem Vereinsausflug nach Österreich. Der süße Rotwein war die Ursache. In der Nacht musste meine Mutter den Notarzt rufen. Nach meiner Hochzeit im Jahr 1969 hatte meine Frau die Diätküche übernommen. Ich konnte mir bei Rehas und Schulungen für Diabetiker die Fortschritte in der Medizin für Diabetiker aneignen. Die Glaszylinder verschwanden, die Stechnadeln schrumpften von 3 cm Länge und 1 mm Stärke auf 8 mm Länge und 0,3 mm Stärke.

Im Dezember 1993 kam eine weitere Erkrankung zum Vorschein. Bei einem Kegelabend zeigte sich eine Herzschwäche. Meine Kameraden dachten an Schock und riefen den Notarzt. Im Krankenhaus stellten die Ärzte dann fest, meine Aortenklappe hat nur noch einen Durchgang von 5 mm. Die Operation verlief ohne Schwierigkeiten. Das neue Medikament Makumar (Blutverdünnung) hält das Herz bis heute stabil.
Nach dem Tod meiner Frau im Jahr 2008 lebe ich nun allein in meinem Haus mit Unterstützung meiner Nachbarn.

Im Jahr 2001 bei einem Hausarztbesuch (Diabetologe) redete der Arzt von einer Diabetiker-Selbsthilfegruppe, da ich doch schon lange zuckerkrank bin und lange Erfahrung mit der Krankheit habe. Außerdem gibt es im Raum Friedberg keine Selbsthilfegruppe für Diabetiker. Nach langem Überlegen sagt ich zu. Heute weiß ich, dass eine Selbsthilfegruppe nur Vorteile für einen Kranken bringt! Der Arzt erklärt einem die Grundbegriffe der Krankheit. Aber die Krankheit wirft im Alltag oft weitere Probleme auf. Diese Probleme und Fragen können in der Gruppe vorgebracht und besprochen werden. Meist findet sich dadurch eine Problemlösung. Gern gesehen sind außerdem in der Gruppe Vorträge zu verschiedenen Themen.

Liebe Kinder, liebe Jugendliche, heute spricht man bei Diabetes von einer Volkskrankheit. Ich bin bereits mit 10 Jahren zuckerkrank geworden und werde heute 2017 bereits 80 Jahre alt. Ihr seht, bei solidem Lebenswandel kann man auch mit Diabetes ALT werden. Zusätzlich haben sich die medizinischen Möglichkeiten im Laufe der Jahrzehnte stark verbessert.

Veröffentlicht: 2017

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