Dr. Klaus Priebe

(55 Jahre Diabetes)
Klaus Priebe

Ich bin am 25.12.1934 geboren und im Jahre 1958 wurde bei mir die Diagnose Diabetes mellitus gestellt.

Nach der Flucht im März 1945 auf dem Seewege aus Hinterpommern landete meine Familie in einem kleinen Ort in Mecklenburg südlich von Schwerin, wo ich meine Grundschulausbildung beendete und danach auf die Oberschule nach Hagenow (Internat) wechselte. Da meine Familie 1952 nach Neustrelitz umzog, ging ich dort weiter zur Oberschule, die ich mit dem Abitur 1954 abschloss. Sowohl in Hagenow wie auch in Neustrelitz war ich sportlich als Feld-Handballspieler aktiv. Da ich in der Kreisklasse (zunächst A-Jugend) spielte, war ich in meiner Freizeit (Training, Punktspiele, Freundschaftsspiele) fast überwiegend mit dem Handballsport beschäftigt. In Neustrelitz (Bezirksliga) war es im Wesentlichen nicht anders; die Winterzeit wurde hier außerdem mit Hallen-Handball überbrückt.


Vom Herbst 1954 bis einschließlich 1957 war ich Student der Veterinärmedizin an der Humboldt-Universität zu Berlin, nur wenig von der heutigen Postadresse der Deutschen Diabetes-Hilfe entfernt. An Sport war in dieser Zeit nicht zu denken. Dennoch kann ich mich von den Ausführungen meiner Professoren in den vorklinischen wie in den klinischen Semestern über die vergleichende Veterinärphysiologie und –pathologie, die auch Ausführungen über Diabetes mellitus bei Tieren beinhalteten, noch sehr genau an deren eindringliche Hinweise auf die schwerwiegenden Körperschäden bei diabetischen Menschen erinnern, die als Spätfolge dieser Erkrankung auftreten können. Von meiner damaligen Wirtin, bei der ich als Untermieter wohnte, erfuhr ich, dass sie schon seit längerer Zeit Diabetikerin war. Sie erzählte mir, dass sie als Diabetikerin während des 2. Weltkrieges (also bis Mai 1945) gesondert Lebensmittelmarken für den zusätzlichen Bezug von Butter erhielt, was meiner Ansicht nach bei der damaligen Mangelernährung sicherlich eine gewisse Berechtigung hatte, heute aber wegen der erforderlichen Begrenzung der Neutralfettaufnahme bei Diabetikern als kontraindiziert gelten würde.


Im Jahre 1957 wurde die Mehrzahl der Angehörigen meines Studiensemesters zwangsexmatrikuliert und aufgefordert, sich einer Kommission zu stellen, die mit den Betroffenen deren Einstellung zu den sozialistischen Staatszielen erörterte, um gegebenenfalls wieder immatrikuliert werden zu können. Dies war für mich ein Signal für unsichere Zukunftsperspektiven in der DDR, und ich wechselte nach Westberlin und setzte das Studium zunächst bis zum Semesterende an der Freien Universität fort.
Nach Ablauf des Semesters ging ich nach Hannover, um meine zwei letzten erforderlichen Studiensemester an der dortigen Tierärztlichen Hochschule abzuschließen und dort das Staatsexamen zu machen.


Als Mitte des Jahres 1958 in Hannover bei mir Schlafstörungen, Schlappheit und ein vermehrtes Durstgefühl auftraten, suchte ich einen internistisch tätigen Arzt auf. Die Urinprobe war eindeutig zuckerpositiv. Da der Arzt Blutzuckermessungen nicht durchführen konnte, wurde ich zur stationären Behandlung in das Nordstadt-Krankenhaus in Hannover überwiesen. Die Diagnose Diabetes mellitus wurde bestätigt. Ich erkannte gleich, dass sich damit meine Lebensführung und meine Lebensziele völlig verändert hatten. Nach einigen Tagen wurde ich mit einem Diätplan mit Dauermedikation des damals neu in der Behandlung eingesetzten oralen Antidiabetikums Rastinon entlassen. Mit dieser Diät und dem Rastinon habe ich dann 1958/60 in Hannover die letzten zwei Semester weiterstudiert und in den nachfolgenden Monaten die 28 Staatsexamen-Prüfungen abgelegt. Daneben konnte ich meine Doktorarbeit vorbereiten (Materialbeschaffung, Literaturstudium, Laboratoriums- und Schreibarbeiten). Die vorgeschriebene halbjährige Pflichtassistenzeit konnte ich zur Hälfte im Tiergesundheitsamt Hannover (Geflügel) und die andere Hälfte in einer tierärztlichen Lehrpraxis (Großtiere) im Hannoverschen Wendland absolvieren. Regelmäßige Blutzuckerkontrollen waren damals nur ambulant bei Internisten möglich.

Ich habe diese Zeit aber ohne Vorkommnisse (Hypoglykämien, Koma) bei konsequenter Diät gut überstanden.


Nach meiner Approbation als Tierarzt begann ich im September meine Berufstätigkeit als angestellter Tierarzt des Landes Bremen im Staatlichen Veterinäramt Bremerhaven. Die Stelle war verbunden mit unregelmäßigen Diensttätigkeiten. Mindestens zweimal wöchentlich 5:00 Uhr Dienstbeginn für Seefisch-Landekontrollen im Fischereihafen; sonst 8:00 bis 16:00 Labordienst, Büroarbeiten, ambulante Kontrollen von Lebensmittelbetrieben und Tierverkehrsveranstaltungen aller Art im Fischereihafen, im Stadt- und Überseehafengebiet), sowie Schiffs- und Containerabfertigungen.
Diese Tätigkeiten führten dazu, dass mir mein Hausarzt empfahl, auf die Rastinon-Therapie zu verzichten und stattdessen Insulin der Fa. Hoechst zu spritzen. Das gelang ambulant sehr gut und bekam mir in den folgenden Jahren auch besser. Hypoglykämien traten zunächst nicht auf. Eine Hilfe waren später die Blutzuckermessgeräte, die schließlich auf den Markt kamen. Inzwischen wurden mir die im Laufe der folgenden Jahre bis heute neu auf den Markt kommenden ergänzenden Langzeitinsuline empfohlen, die auch als Pens benutzt werden konnten. Dadurch erfuhr ich in verschiedenen Diabeteskliniken (Martin-Luther-Krankenhaus Zeven, Diabetes-Klinik Bad Bevensen, Bad Lippspringe, Klinikum Bremerhaven, Klinikum Bremen-Nord) zahlreiche Umstellungen auf andere Insulin-Arten: Lente-Insulin, Lantus, Actrapid, Protaphan, Novorapid.


Zusätzlich musste ich schon Mitte der 60er Jahre in in Kauf nehmen, dass sich Probleme meiner Erkrankung an Morbus Bechterew verstärkten, die sich schon 1956/57 in akuter und sehr schmerzhafter, rheumatischer Regenbogenhautentzündung äußerten. Ich war daher weiter bemüht, durch krankengymnastische Übungen und sportliche Aktivitäten – Tennis, Golf, Fahrradfahren – weiter beweglich zu bleiben. Diese körperliche Betätigung führte mit dem Älterwerden dazu, dass sich leichte, und z.T. auch schwere Hypoglykämien häuften.
Ich musste das Tennisspielen aufgeben, nachdem ich nach einem Tennisturnier erst im Krankenhaus nach der Hypoglykämie wieder aufwachte. In den letzten Jahren führten wir immer ein Glukagon-Spritzset mit, das meine Frau gelegentlich häufiger benutzen musste, um mich wieder fit zu bekommen. Solche Zwischenfälle waren der Grund, weshalb ich seit November 2011 Insulinpumpen-Träger bin (mit Insulin Novorapid und einem HbA1c-Zielwert von 7,5 mg%). Seitdem ist eine klinisch manifeste Hypoglykämie nie wieder aufgetreten (wohl aber im Vorfeld bei der Blutzuckermessung registrierte, z.B. < 60 mg% , aber ohne klinische Auffälligkeiten).
Nach einem 55-jährigen Leben als Diabetiker und einem ausgefüllten Berufsleben, zu dem auch wissenschaftliche Fachvorträge anlässlich internationaler Kongresse in aller Welt gehörten, hoffe ich, Ende dieses Jahres nun auch meinen 79. Geburtstag erleben zu können. Ich denke, dass mir alles dies angesichts meiner sportlichen Betätigung, konsequenter Diät und Ausnutzung aller wachsenden Errungenschaften und Hilfsmittel der diabetischen Forschung gelungen ist. Ich war stets Nichtraucher und schwinge mich auch heute gern aufs Fahrrad oder gehe spazieren.

Fazit: Auch ein Diabetiker muss nicht verzagen.

Veröffentlicht: 2013

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