Meine Geschichte finden Sie auch im Insuliner Nr. 115, Seite 63 – 66
Nach dem Tode meines Vaters entschlossen sich meine Mutter und ich, zur Oma und Verwandtschaft nach Wuppertal zurück zu ziehen. Auch hier erwartete mich eine interessante Stelle. Der Amtsarzt gab bedenkenlos seine Zustimmung, nachdem er festgestellt hatte, dass ich gut hören konnte!!
Fast vierzig Jahre habe ich dort gearbeitet, ohne auch nur einmal wegen Diabetes gefehlt zu haben. Wohl ein Grund mit, dass ich Beamtin werden konnte.
Kinderlos und ledig hatte ich das Glück, immer außerhalb der Ferien, Urlaub nehmen zu „ müssen“. Es gab viele interessante Orte zu erkunden – auch ohne die heute üblichen Vorsorgemaßnahmen für Diabetiker. Es war so „einfach“: Urinzucker-Teststreifen, Insulin und Disziplin beim Essen. Ob der BZ immer gut war, glaube ich nicht, aber fast keine UZ. USA, Russland, Island, Ägypten oder Südeuropa – alles interessante Länder, mit anderen Kulturen und fotogenen Landschaften. Wenn einem dann das Essen einmal zu „exotisch“ vorkam, z.B. in Afrika, dann eben eine Woche nur Brot und Tee.
Insuline habe ich fast alle einmal ausprobiert. Meist angeregt durch einen Artikel im Diabetes Journal. Damit ging ich dann zu meinem Internisten. Meistens sagte er: „Sie haben so lange Diabetes, sie wissen Bescheid, machen sie mal. Und dann noch 1x monatlich BZ Messung nüchtern.
Das dicke Ende kam dann ein halbes Jahr nach meiner Pensionierung: Express Bypass OP in Bad Oeynhausen. Man war dort wieder mal erstaunt, wie schnell ich mich erholte. Sehr wertvoll und lehrreich für mich waren die Wochen anschließend in der Diabetesklinik unter Prof. Petzold. Eine eingehende Schulung für ICT und was dazu gehört.
Komischerweise verschlechterte sich nach dem Renteneintritt meine BZ-Wahrnehmung mit teilweise recht hässlichen Situationen, besonders in der Nacht. Gut geholfen hat mir ein Blutzuckerwahrnehmungsstörungstraining in der Diabetesklinik in Bad Mergentheim. Richtig spannend, wenn man nach der gezielten Insulininjektion merkt, wie der BZ runter geht und welche Symptome, wann auftreten. Nicht alle Teilnehmer/innen haben sich diesem Test unterzogen, aus Angst vor den Anderen (Mitdiabetikern!) unkontrolliert zu reagieren.
Spätschäden, na ja. 79 Jahre ist mein Diabetes jetzt alt und wir beide sind ganz gut über die Runden gekommen. Probleme machen mir die Augen, sodass ich mein „liebes“ Auto verkaufen musste und jetzt Teilnehmerin des ÖPNVs bin. Es geht prima.
Wenn man sich so umsieht und beobachtet, welche hässlichen Krankheiten man haben kann, bin ich mit meinem Diabetes ganz zufrieden. Eine Krankheit, die man zum großen Teilen selbst beeinflussen kann. Es gibt inzwischen wunderbare Hilfsmittel, genug Insulin, gesundes Essen, Teststreifen, Pens mit dünnen Nadeln, Pumpen … und gute Diabetologen. Ich glaube, dass Wissen und Disziplin einen großen Teil der Behandlung ausmachen. Es ist nicht alles „easy“, schneller, komfortabler. Man muss sich mit dem Zustand Diabetes arrangieren und das Beste daraus machen.
Wie Schiller schon mal sagte: „Passe Deine Wünsche den Gegebenheiten an“. Ein Mensch mit Klumpfuß wünscht sich vergebens Ballerina zu werden, aber ein guter Geher ist möglich.
Veröffentlicht: 2016