Wolfgang Geckler

(71 Jahre Diabetes)
Wolfgang Geckler

Ich bin Diabetiker (Typ 1) seit Februar 1942! Mein Name ist Wolfgang Geckler, geboren im Mai 1940.

Wie Sie selbst nachrechnen können, hat mich der Diabetes Typ 1 seit den wirren Kriegstagen des 2. Weltkrieges nun mehr als 71 Jahre „begleitet“! Und da muss man beachten, dass es in den ersten etwa 15 Jahren meines Diabetes mit sehr vielen diabetischen Hypoglykämien, also Schocks wegen Unterzuckerung mit einhergehender Bewusstlosigkeit, schon äußerst schwer war.

Zuerst natürlich für meine Eltern, die dann mit „kategorischer Diät – alles aufs Gramm genau abgewogen“ und im Krankenhaus vorgegebener Insulindosis nach bestem Wissen – auch der Ärzte – versucht haben das zu bewerkstelligen. Regelmäßige und häufige Hypoglykämien in der Schule, auf dem Schulweg, im Sport, usw. waren leider die Tatsache.

Zweimal im Jahr, wenn die Ausrutscher also Hypos zu häufig wurden, normalerweise im Frühjahr und Herbst eines jeden Jahres, musste ich zur neuen Einstellung ins Krankenhaus! Und das auch während der Schulzeit… also viel Unterricht versäumt. Und auf dem Schulweg wussten die Anwohner dann auch Bescheid, wenn ich irgendwo lag und keine Reaktion mehr gezeigt habe…die Eltern verständigen…und zu damaligen Zeiten OHNE HANDY…

Mehrere Tausend schwerste Hypos habe ich in der gesamten Zeit meiner „Begleiterkrankung“ durchmachen müssen. Genau gesagt eigentlich lange Jahre auch meine Eltern, Schulkameraden und Arbeitskollegen. Dann ab 1960 meine (auch heute noch!!!!) Ehefrau, die dadurch auch viel mitgemacht hat.

Nochmals zurück zur Zeit während und kurz nach dem 2. Weltkrieg, also 1942 bis etwa 1946. Da konnte es durchaus auch vorkommen, dass meine Mutter in der Apotheke KEIN INSULIN wegen Mangel bekommen hat. Da hat sie dann (aus purer Verzweiflung) mich als 5-bis 6-jährigen Jungen nochmals in die Apotheke geschickt und dem Einsehen der Apotheker war es dann zu verdanken, doch wieder eine Ampulle Insulin zu bekommen.

Dann die Blutzuckermessungen – ein wahres Erlebnis! Es gab zu der Zeit, auch bis etwa in die siebziger-Jahre, keine Blutzucker-Testreifen zur Selbstkontrolle!!! Ich ging einmal im Monat ins Krankenhaus und dort wurde die Blutabnahme zur Wertebestimmung im Labor vorgenommen. OH … und eine Woche später konnte man das Ergebnis erfahren.

Dann kamen (erinnerlich in den 70ern) die selbst anwendbaren Teststreifen zur Urinzuckerbestimmung (und Aceton). Das war bereits eine leichte Hilfe. Und noch einige Jahre später gab es die ersten Teststreifen zur Kapillar-Blutzuckermessung mit Vergleichen des Ergebnisses anhand einer Farbtabelle, das war schon etwas.

Und das war der durchschlagende Erfolg: Messgeräte zur Blutzuckerselbstkontrolle mit kurzfristiger Anzeige des momentanen Blutzuckers. Half allerdings auch nicht komplett meine häufigen Unterzuckerungen ganz zu vermeiden. Aber auch diese Geräte, Unterschiede zwischen den einzelnen Herstellern, wurden/werden ständig weiterentwickelt. Alle Werte habe ich immer!!! auch erfasst und natürlich genauso die verabreichten Insulindosen. Ein ganz schöner Aufwand, aber ich sehe das für eine Bestätigung meines auch heute noch relativ guten Zustandes an. Natürlich sind nicht alle Spätfolgen bisher ausgeblieben. 1987/1988 wurden Schäden am Augenhintergrund (alle 3 Monate gehe ich seit etwa 30 Jahren laufend zur Augenuntersuchung!) festgestellt und per Laserkoagulation erstmal behoben. Eine weitere bekannte Spätfolge ergab sich 2003 und machte eine Herz-OP mit mehreren Bypässen notwendig.

Dann DIE ERRUNGENSCHAFT der modernen Medizin, allerdings noch unzureichend bekannt beim G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss in Berlin) die CGM „kontinuierliche Glukose-Messsysteme“.

Ich habe inzwischen (sowohl als Test von unterschiedlichen Systemen zweier Unternehmen) und nur seit fünf Wochen durch Einsatz des CGM-Systems DEXCOM G4) hervorragende Erfahrung sammeln können … KEINE schwere HYPO mehr!!! Da diese Geräte alle überaus deutlich hörbar und durch Vibration rechtzeitig warnen und Gegenmaßnahmen durch Traubenzucker oder dergleichen früh durchgeführt werden können. Bei mir wurde so bereits eine ganze Anzahl schwerer Hypos in kurzer Zeit dank der Geräte vermieden!

Ach so, Reisen … da kann ich Ihnen auch so einiges dazu sagen: Seit 1960 bin ich, zusammen mit meiner Frau, immer auf Reisen (ich habe natürlich gearbeitet in anspruchsvollen Tätigkeiten) wenn es der Urlaubsanspruch zugelassen hat.

Das ging natürlich lange Jahre auch nicht ohne Komplikationen/Hypos ab. Die möglichen Tests habe ich weiter oben beschrieben. Das führte bei unserer ersten großen Asienreise (1974) dazu, dass überhaupt nicht mehr auszumachen war wie der Blutzuckerspiegel ist. Nach dem weiteren Rückflug ergab sich dann in Bangkok die dringende Notwendigkeit eines Klinikaufenthalts. Zuckerspiegel war weit über 600 mg/dl (da zuvor ein Arzt dort auf Unterzuckerung plädiert hat und mir viel Traubenzucker verordnete)! Da habe ich dann im dortigen Krankenhaus gelernt, drei mal am Tag Reis „zu genießen“.

Wie schon erwähnt, hat sich alles wesentlich gebessert seit der Möglichkeit der Blutzucker-Selbstkontrolle durch die Glukose-Testreifen (Geräte). Trotzdem waren die schweren Hypos nicht vermeidbar.

Und seit etwa 20 Jahren bin ich alle 3 Monate in intensiver ambulanter Betreuung der Diabetiker-Ambulanz Medizinischen Universitätsklinik Tübingen mit laufender Korrektur und Anpassung aller Maßnahmen.

Viele Reisen in die verschiedenen Länder Asiens, Afrikas, Vereinigte Staaten, Europa, Mittelamerika … als Diabetiker ist auch vieles möglich!!! Naturgemäß mit entsprechend leichten Einschränkungen und selbst auferlegten Verhaltensregeln.

Aber seit dem Einsatz der kontinuierlichen Blutzuckerkontrolle (mein jetziges Gerät DEXCOM G4 misst alle fünf Sekunden und zeigt das kontinuierlich als grafische Linie auf dem Gerätedisplay an) ist die Lebensfreude ganz erheblich gestiegen UND … meine Frau ist derart befreit von den bisherigen Sorgen und Nöten … ganz einfach überaus erleichtert.

Spätfolgen: sind beim Diabetiker – besonders nach derart langer Krankheitsdauer – ja hinlänglich bekannt: Augen, Nieren, Zahnverlust, Herzerkrankungen, Exremitäten wie Beinverlust usw. Jedoch sind sie „eingrenzbar“ durch des Verhalten des Einzelnen – und da bin ich besonders hart gegen mich selbst, und nun unterstützt durch Einsatz solch technisch ausgereifter Kontrollsysteme. Ich selbst habe zum Glück noch beide Beine ohne erkennbare Anzeichen für eine evtl. notwendige Amputation.

Ich empfehle auch anderen „Leidensgenossen“ … denken Sie an Ihre Beine und Augen … und verhalten Sie sich bewusst als Diabetiker! Wir sind ja trotzdem auch Menschen!

Besonders ärgerlich ist, wenn falsche Gutachten von Ärzten dazuführen, dass ein Antrag abgelehnt wird. So musste ich das leider erleben. Die Krankenkasse wollte die Kosten für ein kontinuierliches Blutzucker-Messsystem nicht übernehmen.

Veröffentlicht: 2013

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