Preisträger 2025

Dr. Tim 
Wessel
diabetesDe | Meilensteine der modernen Diabeteologie am 16. November 2025

Laudatio


Als unser heutiger Preisträger Dr. Tim Wessel im Sommer 1975 kurz vor seiner Einschulung Typ-1-Diabetes bekam, war die Erstdiagnose etwas holprig: Die Sommerferien-Vertretung des Hausarztes warf einen kurzen Blick auf den Jungen und tat nach einem kurzen Blick auf ihn die Verdachtsdiagnose seiner Mutter mit den Worten ab: „Der Junge hat keinen Diabetes, das sehe ich.“ Wie bei so vielen Kindern mit Diabetes war es seine Mutter, die sich ob des Zustandes ihres Kindes und den absolut eindeutigen Symptomen mit dieser „Diagnose“ nicht zufriedengab. Sie gab eine Urinprobe bei der Sprechstundenhilfe ab und behauptete einfach, eine Analyse auf Diabetes sei mit dem Arzt abgesprochen. Was dann folgte, war ein Anruf eben dieses Arztes, dass Tims Eltern sofort mit ihm in die Klinik nach Kiel fahren sollten, Tim habe offenbar doch Diabetes. Ein Blick auf die Nasenspitze reicht eben doch nicht aus, um über das Leben eines Menschen zu entscheiden. Derartige Geschichten hören wir leider auch heute noch.

Zunächst wurde Tim Wessel mit Schweine-Insulin behandelt, dann folgte der Umstieg auf Human-Insulin. Bereits 1988 erhielt Tim Wessel seine erste Insulinpumpe, 2016 dann auch ein CGM. Heute nutzt er erfolgreich ein Hybrid-Closed-loop-System. Damit kommen auch die schweren Hypoglykämien der Vergangenheit nur noch sehr selten vor.

Von 1978 bis etwa 1995 hatte Tim Wessel täglich Hypoglykämien (zumeist in der Nacht, aber auch tagsüber). „Highlight“ war ein Tag mit drei Notarzt-Einsätzen. Die Behandlung seines Diabetes blieb viele Jahre schwierig, weshalb ein befreundeter Kinderarzt mal sagte, dass Tim Wessel der einzige von etwa 1.500 Patienten gewesen sei, den er nie in den Griff bekommen habe. Heutzutage würde man sagen: Sensible Sprache sieht anders aus…

Auch im Erwachsenenalter bleibt Tim Wessels Diabetes instabil und schwer einzustellen, mit Brittle-Diabetes, Dawn-Phänomen und Unterzuckerwahrnehmungs-Störung. Geändert haben sich aber die Therapie-Möglichkeiten: Inzwischen sind diese so gut entwickelt, dass die lebensgefährlichen Momente im Diabetesmanagement von Tim Wessel auf ein Minimum reduziert werden konnten. Jedoch wirft mittlerweile die Aufzeichnung der Zuckerverläufe regelmäßig die Frage auf, was um alles in der Welt die Entwicklung seiner Zuckerkurven bedingt.

Ein regelmäßiger Tagesablauf blieb für Tim Wessel lange Jahre ein unerreichbarer Wunsch. Bereits in der Schule zeichnete sich ab, dass Überleben in seiner Situation alles ist. Das war quasi die Pflicht, alles andere wie Schulnoten war die Kür. Auch die Berufswahl war für Tim Wessel eingeschränkt. So schieden nahezu alle Handwerks-Berufe aus. Alles, was mit Maschinen zu tun hat, sich auf dem Dach abspielt oder einen Führerschein erfordert, war keine Option. Auch Berufe, die mit Menschen zu tun haben oder gar Waffenhandhabung beinhalten (Polizist, Jurist, Lehrer) waren raus. Sein Wunsch, Medizin zu studieren, um Diabetes in seinen molekularen Mechanismen besser zu ergründen und neue Behandlungsmethoden anzugehen, wurde Tim Wessel verwehrt mit den Worten: „Herr Wessel, wenn Sie immer einen Arzt nebendran stehen haben müssen, weil Sie alle Nase lang umkippen, dann taugen Sie nicht dazu, Patienten zu behandeln.“

Da er in die Forschung wollte, kam Tim Wessel stattdessen auf die Idee, Biologie zu studieren. Kurz vor Abschluss der Promotion sorgte ein fremdverschuldeter Fahrrad-Unfall dafür, dass Tim Wessel nicht mehr Vollzeit im Labor arbeiten kann. Daher nahm er nach erfolgreicher Promotion einen Job als Außendienstmitarbeiter für einen Anbieter in der Biotechnologischen Forschung an. Über die Jahre entwickelte er sich dort als Produktspezialist für Zellbiologie mit dem Schwerpunkt Zell- und Gentherapie beruflich weiter und ist heute mit führenden Wissenschaftlern der Stammzellenforschung zu den Beta-Zellen im Austausch.

Seit 2021 fährt Tim Wessel jährlich im Sommer Fahrradtouren durch Deutschland über mehr als 1.000 km. Diese laufen als Spendenaktion, er ist mit Zelt und Schlafsack unterwegs. Tim Wessel ist verheiratet und hat drei Kinder, eine Katze und einen Hund. In (fast) allem, was er tut, gibt er 120 %, weil ihm von Anfang an vermittelt wurde, die „Macke“ Diabetes ausgleichen zu müssen.

Herzlichen Glückwunsch an den Preisträger der Mehnert-Medaille 2025, Dr. Tim Wessel!

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